Aurelio Kopainig interessiert sich für Wachstumsprozesse. Er arbeitet als Sämann und Laborant, als Bauinspektor und Anthropologe. Mit verschiedenen Medien - mit Fotografien, Zeichnungen, Filmen, Installationen - erforscht er Zusammenhänge und lässt unterschiedliche Themenbereiche miteinander verwachsen. Aurelio Kopainig versteht die Welt als Versuchsanordnung, um dem Wesen der Dinge näher zu kommen. Damit trifft er eine sensible Stelle unserer Befindlichkeit. Es ist die rührende und zugleich verheerende Komik unseres Bedürfnisses nach Überdeterminierung und Kontrollierbarkeit, gepaart mit dem grenzenlosen Staunen über das Eigenleben der Dinge und dem Wissen, den Kräften der Natur letztlich ausgeliefert zu sein.
Die Einladungskarte zu Aurelio Kopainigs «Modellversuch».
Ob Notationen auf Papierbogen, handanimierte Kurzfilme, installative Pflanzkonstruktionen, Fundstücke oder eine Diaschau – die Arbeiten von Aurelio Kopainig erschliessen sich auf unmittelbare Weise, sind wohltuend einfach und verführerisch frisch - nicht komplizierter als das Leben selber. Doch auch unsere Wahrnehmung, unsere Gedanken und Assoziationen unterliegen Wachstumsprozessen, deren Systematik sich erforschen lässt. Es gibt Arbeiten von Aurelio Kopainig, die den Zusammenhängen von Wörtern wie „betreiben“, „durchtrieben“ und „Treibhauseffekt“ nachgehen. In Filmbänder geritzte Zeichnungen befreien die Kategorien aus unserem Ordnungssystem, lassen Häuser wachsen, Monitore verflüssigen, Sterne filtern. Abfolgen von Architekturfotografien zeigen ohne Larmoyanz und moralisierenden Beigeschmack das Streben des Menschen im Wettbewerb mit natur- oder gar gottgewolltem Wachstum. Die Kraft der Bilder, die Aurelio Kopainig wählt, verleiht seinen Arbeiten als Versuchsanordnung metaphorische Bedeutsamkeit.
Blick auf Aurelio Kopainigs Installation «Modellversuch».
Den Schaukasten Herisau verwandelt Aurelio Kopainig in ein Pflanzhaus, in einen Modellversuch zur Erforschung geschlossener Systeme. Angeregt durch den Besuch von Forschungslabors für Landwirtschaft und Biotechnologie an einer chinesischen Universität, von Experimenten mit Agar-Agar Nährböden (Geliermittel aus Meeralgen), aber auch von Pflanzversuchen der NASA im Weltall, teilt er den Schaukasten in einen Wachstums- und einen Kontrollraum. Während in den Wachstumskammern Samen zum Keimen und vielleicht gar zum Blühen gebracht werden, ist in Live-Übertragung durch Überwachungskameras das Geschehen von nebenan auf Bildschirmen zu beobachten. Das System hütet sich selbst. Der Ausgang ist ungewiss. Ursula Badrutt Schoch
Aurelio Kopainig ist 1979 in Gais geboren und lebt in Berlin.
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